Samstag, 30. Juli 2016

Unwort des Tages

Wir leben in unruhigen Zeiten.
Aber wer, wie ich, die Glückseligkeit erfährt, in einem der reichsten Länder mit den mit am höchsten Sozialstandarts zu leben, der wie ich, sich keine Sorgen machen muss jeden Tag satt zu werden, ein Dach über dem Kopf zu haben, freie medizinische Betreuung zu erhalten, trägt auch Verantwortung.
Wir die Bewohner der beschaulichen Inselchens Deutschland, der Inselgruppe Europa, wir die leben, leben, lachen können und dürfen wie und wann wir wollen - so lange es nicht gerade andere in ihren freiheitlichen Rechten stört, nehmen wir unsere Verantwortung wahr?
Selten.
Wir genießen unsere Freiheiten, wir leben unsere kleine Leben, wir nehmen es gar nicht mehr wahr wie gut es uns geht.
Klar, ist es nicht schön, wenn man von Hartz IV leben muss, und klar, auch bei uns ist nicht alles Gold was gelb ist und glänzt. Trotzdem.

Wer versteckt sich eigentlich hinter dem Wörtchen *wir*?
Wir Deutsche? Wir Europäer?
Sind wir Deutschen eine Rasse?
Schon jetzt schwillt mir der imaginäre Kamm.
Es gibt nur eine Rasse:
DER MENSCH AN SICH.

Deswegen ist das Wörtchen RASSISMUS für mich auch ein Unwort.
Und dabei ist der Rassismus alltäglich und mannigfaltiger Form zu finden.

Es regnet. Endlich strömt etwas kühlere Luft durch die weit geöffneten Fenster, die Kater belagern mein Laptop, es ist sonntäglich still - in anderthalb Stunden muss ich los - ich habe *Standdienst* bei den *Die Stadtisten* auf dem CSD Hocketse.
Ein Hocketse ist so etwas urschwäbisches Ding (Hocketse = sich treffen, hinsetzen, Trollinger schlürfen und schwätze) und es ist so stuttgarterisch-schwäbisch, dass die Schwulenbewegung ein Hocketse macht.
Wie ich vom Rassismus auf die Schwulenbewegung komme?
Weil beide den gleichen Ursprung haben.
Die einen denken, dass jeder der anders ist kacke ist. Um es mal vereinfacht auszudrücken.
Und es ist weit verbreitet.
Alltäglich.
Mal geht es um die Hautfarbe, die Figur, die ethnische Herkunft, die Heimat, die Religion.
Vorurteile sind kacke.
?
Es geht aber noch weiter. So wegen Unwort und Rassismus und warum ich dieses Wörtchen in der Zwischenzeit so nervig finde.
Heute treffen sich ziemlich viele Menschen in Köln zu einer Demonstration.
Und um einiges vorweg zu nehmen:
Auch wenn mir der Grund nicht passen mag - auch wenn es manchmal schwer fällt: Unsere (deutsche) Grundordnung lässt diese Demo zu. Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht sind ein verdammt hohes Gut. Wenn sich in der Ostzone dem Osten der Republik sich rechte Spacken besorgte Bürger zu den Pegidatreffen begeben warum dann nicht Erdogananhänger in Köln?

Und jetzt nähere ich mich des Pudels Kern.
Ich schrieb bewusst Erdogananhänger.
Ich weiß nicht, ob es dabei um türkischstämmige Deutsche handelt. Oder um Türken die Deutschland leben. Oder um Türken, die hier zu Gast sind.
Würde es nicht reichen zu schreiben: Zehntausende treffen sich zu einer Demo?
Aber wenn man die Schlagzeilen liest heißt es (fast) immer: Zehntausende Türken versammeln sich zu einer Pro Ego Wahn Erdogan Demo, einer AKP Demonstration.
Und in den Kommentaren der sozialen Netzwerken liest man:
*Sollen sie doch zurück in ihre Heimat*, *Was wollen die Türken eigentlich hier?*

Es geht nicht darum, dass es mir Angst macht, dass sich zehntausende Menschen in Köln treffen werden um für einen kleinen Despoten zu demonstrieren. (Na ja, klein. Der Typ tritt die Menschenrechte mit Füßen und wird dafür gefeiert).
Es geht auch nicht darum, dass ich nicht verstehe, warum sie hier demonstrieren.

Es geht darum - wie bezeichnen wir Klein Ego Wahns  Erdogans Anhänger?
Viele von ihnen leben seit vielen Jahren hier. Sind hier geboren. Haben einen deutschen Pass.
Und doch werden sie als Türken benannt. Und nennen sich teilweise selbst so. Nein, sie sollen eben nicht ihre Heimat verleugnen und wenn manche der Frauen unbedingt ein Kopftuch tragen wollen, bitte schön.

Die *scheiß Türken*. Kann man das Rassismus nennen, wenn man jemanden aufgrund seiner Herkunft benennt?
Ich hüpfe jetzt mal auf die britische Insel. Klar, wenn ich Engländer sage denken die meisten sofort an rotverbrannte, dicke Menschen, mit heller Haut und Haare, die Spanien heimsuchen. Ich manchmal auch. Denn auch ich trage Vorurteile in mir.
Und was ist mit dem Londoner, der eine dunkle Haut hat, dessen Vorfahren aus den Kronkolonien stammen, Indien, Afrika, Kanada, Australien?
Was ist mit den Schotten, den Walisern? Den Briten, deren Vorfahren aus Skandinavien oder der Nomandie stammen?
Rassismus?
Ist das Rassismus?
Handelt es sich um *Rassen*?
Als eine Bekannte nach dem Brexit schrieb: *Jetzt zeigt der hässliche Engländer endlich auch sein hässliches Inneres* schrieb ich dazu *Rassismus hat viele Gesichter* - was zu einem heftigen Streit führte.
Wer ist den dieser ominöse Engländer. Und wenn, dass müsste man Brite schreiben. Engländer sind die die in England leben. Aber da gibt es ja auch noch die anderen. Nordiren etc.
War es nun Rassismus?
Da es keine verschiedenen menschlichen Rassen gibt - kann es da Rassismus geben? Wie bezeichnet man so eine Aussage?

Unwort.
Es ist ein Unwort. Und eine Untat. Egal wie man sie bezeichnet.







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