Samstag, 30. Juli 2016

Unwort des Tages

Wir leben in unruhigen Zeiten.
Aber wer, wie ich, die Glückseligkeit erfährt, in einem der reichsten Länder mit den mit am höchsten Sozialstandarts zu leben, der wie ich, sich keine Sorgen machen muss jeden Tag satt zu werden, ein Dach über dem Kopf zu haben, freie medizinische Betreuung zu erhalten, trägt auch Verantwortung.
Wir die Bewohner der beschaulichen Inselchens Deutschland, der Inselgruppe Europa, wir die leben, leben, lachen können und dürfen wie und wann wir wollen - so lange es nicht gerade andere in ihren freiheitlichen Rechten stört, nehmen wir unsere Verantwortung wahr?
Selten.
Wir genießen unsere Freiheiten, wir leben unsere kleine Leben, wir nehmen es gar nicht mehr wahr wie gut es uns geht.
Klar, ist es nicht schön, wenn man von Hartz IV leben muss, und klar, auch bei uns ist nicht alles Gold was gelb ist und glänzt. Trotzdem.

Wer versteckt sich eigentlich hinter dem Wörtchen *wir*?
Wir Deutsche? Wir Europäer?
Sind wir Deutschen eine Rasse?
Schon jetzt schwillt mir der imaginäre Kamm.
Es gibt nur eine Rasse:
DER MENSCH AN SICH.

Deswegen ist das Wörtchen RASSISMUS für mich auch ein Unwort.
Und dabei ist der Rassismus alltäglich und mannigfaltiger Form zu finden.

Es regnet. Endlich strömt etwas kühlere Luft durch die weit geöffneten Fenster, die Kater belagern mein Laptop, es ist sonntäglich still - in anderthalb Stunden muss ich los - ich habe *Standdienst* bei den *Die Stadtisten* auf dem CSD Hocketse.
Ein Hocketse ist so etwas urschwäbisches Ding (Hocketse = sich treffen, hinsetzen, Trollinger schlürfen und schwätze) und es ist so stuttgarterisch-schwäbisch, dass die Schwulenbewegung ein Hocketse macht.
Wie ich vom Rassismus auf die Schwulenbewegung komme?
Weil beide den gleichen Ursprung haben.
Die einen denken, dass jeder der anders ist kacke ist. Um es mal vereinfacht auszudrücken.
Und es ist weit verbreitet.
Alltäglich.
Mal geht es um die Hautfarbe, die Figur, die ethnische Herkunft, die Heimat, die Religion.
Vorurteile sind kacke.
?
Es geht aber noch weiter. So wegen Unwort und Rassismus und warum ich dieses Wörtchen in der Zwischenzeit so nervig finde.
Heute treffen sich ziemlich viele Menschen in Köln zu einer Demonstration.
Und um einiges vorweg zu nehmen:
Auch wenn mir der Grund nicht passen mag - auch wenn es manchmal schwer fällt: Unsere (deutsche) Grundordnung lässt diese Demo zu. Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht sind ein verdammt hohes Gut. Wenn sich in der Ostzone dem Osten der Republik sich rechte Spacken besorgte Bürger zu den Pegidatreffen begeben warum dann nicht Erdogananhänger in Köln?

Und jetzt nähere ich mich des Pudels Kern.
Ich schrieb bewusst Erdogananhänger.
Ich weiß nicht, ob es dabei um türkischstämmige Deutsche handelt. Oder um Türken die Deutschland leben. Oder um Türken, die hier zu Gast sind.
Würde es nicht reichen zu schreiben: Zehntausende treffen sich zu einer Demo?
Aber wenn man die Schlagzeilen liest heißt es (fast) immer: Zehntausende Türken versammeln sich zu einer Pro Ego Wahn Erdogan Demo, einer AKP Demonstration.
Und in den Kommentaren der sozialen Netzwerken liest man:
*Sollen sie doch zurück in ihre Heimat*, *Was wollen die Türken eigentlich hier?*

Es geht nicht darum, dass es mir Angst macht, dass sich zehntausende Menschen in Köln treffen werden um für einen kleinen Despoten zu demonstrieren. (Na ja, klein. Der Typ tritt die Menschenrechte mit Füßen und wird dafür gefeiert).
Es geht auch nicht darum, dass ich nicht verstehe, warum sie hier demonstrieren.

Es geht darum - wie bezeichnen wir Klein Ego Wahns  Erdogans Anhänger?
Viele von ihnen leben seit vielen Jahren hier. Sind hier geboren. Haben einen deutschen Pass.
Und doch werden sie als Türken benannt. Und nennen sich teilweise selbst so. Nein, sie sollen eben nicht ihre Heimat verleugnen und wenn manche der Frauen unbedingt ein Kopftuch tragen wollen, bitte schön.

Die *scheiß Türken*. Kann man das Rassismus nennen, wenn man jemanden aufgrund seiner Herkunft benennt?
Ich hüpfe jetzt mal auf die britische Insel. Klar, wenn ich Engländer sage denken die meisten sofort an rotverbrannte, dicke Menschen, mit heller Haut und Haare, die Spanien heimsuchen. Ich manchmal auch. Denn auch ich trage Vorurteile in mir.
Und was ist mit dem Londoner, der eine dunkle Haut hat, dessen Vorfahren aus den Kronkolonien stammen, Indien, Afrika, Kanada, Australien?
Was ist mit den Schotten, den Walisern? Den Briten, deren Vorfahren aus Skandinavien oder der Nomandie stammen?
Rassismus?
Ist das Rassismus?
Handelt es sich um *Rassen*?
Als eine Bekannte nach dem Brexit schrieb: *Jetzt zeigt der hässliche Engländer endlich auch sein hässliches Inneres* schrieb ich dazu *Rassismus hat viele Gesichter* - was zu einem heftigen Streit führte.
Wer ist den dieser ominöse Engländer. Und wenn, dass müsste man Brite schreiben. Engländer sind die die in England leben. Aber da gibt es ja auch noch die anderen. Nordiren etc.
War es nun Rassismus?
Da es keine verschiedenen menschlichen Rassen gibt - kann es da Rassismus geben? Wie bezeichnet man so eine Aussage?

Unwort.
Es ist ein Unwort. Und eine Untat. Egal wie man sie bezeichnet.







Dienstag, 19. Juli 2016

Kleine Männer mit Schnauzbart und ihr Demokratieverständnis - Außer der Reihe/Sonntagsgedanken

Selten hat mich etwas so sprachlos gemacht, selten hat mich etwas so angewidert.
Der kleine Mann am Bosporus, dessen Allmachtsfantasien Wirklichkeit zu werden scheinen.

 Er war mir schon öfters aufgefallen, ich sage nur Causa Böhmermann.
Ganz ehrlich: Ich bin stolz auf Böhmermann. Nicht weil er Erdogan einen Zickenficker und Kinderschänder nannte. Denn auch Böhmermann sagte dies unter dem Vorbehalt, dass dies einen Straftatbestand erfüllt *Schmägedicht*. Aber alleine die Tatsache, dass er den kleinen Mann mit Schnauzbart fast einen Herzinfarkt bekam, weil er sich blähte, tobte und hyperventilierte war es schon Wert.
Zu diesem Zeitpunkt dachte nicht nur ich - was für ein kleiner Arsch. Mann.
Hüstel.

Viele fragten sich: wie kann man mit den einen Deal abschließen, bei dem es sich auch noch um syrische Flüchtlinge geht? Wie kann man sich von so einem kleinen Möchtegerndespoten abhängig machen? Ich persönlich nenne ihn nur noch Ego-Wahn. Passt einfach.
Auch wenn ich deswegen schon in Sozialen Netzwerken beschimpft wurde und man mir Schlimmeres androhte.
In diesen Netzwerken agiere ich mir Klarnamen, mit meinen echten. Ich lebe ja schließlich nicht in der Türkei. Ich lebe ja in Sicherheit. Noch.
Denn so wie sich manche AKP-Anhänger und Ego-Wahnfans sich hier aufführen - unter anderen die national-faschistischen "Grauen Wölfe" muss einem etwas klar machen: Erdo hat sein Netz weit gespannt. Er hat jede Menge Spitzel. Es ist fast wie zu DDR Zeiten als man nie sicher sein konnte wer ein IM ist. Es konnten Freunde, Verwandte, Kollegen sein.
Eine türkische Bekannte schrieb mir:

*Das stimmt tatsächlich die schicken sms und rufen die Leute zusammen wollte dir es schicken meine Freundin die bei Tsk gearbeitet hat bekam so eine sms aber sie hat es gelöscht ich denke da sie in Istanbul lebt und geschieden ist ist es für Ihre Sicherheit ... Es gehen auch hier kettenbriefe rum die sollen es sofort melden wenn Ihnen hier in Deutschland gülen Anhänger ( Unterstützer ) auffallen mit Telefonnummer. Ich habe ein paar infos von AKP Anhänger die melden alles einfach alles sie sind der Meinung das die Soldaten nicht gequält worden sind und das die andere Sender nur Gerüchte verbreiten und die bestraft werden müssen und das sind Leute ( Frauen ) die hier in Deutschland leben die das melden !!! Sie wollen alles vertuschen das er ja alleine an der Macht ist und seine Diktatur ausleben kann ... Der Mann Ist sehr gefährlich und seine Anhänger noch gefährlicher das hat man gesehen zu was die fähig sind. siber.onleme.arastirma@egm.gov.tr,
siber@egm.gov.tr,
siber.ankara@egm.gov.tr,

siber.istanbul@egm.gov.tr
adreslerine bağlantı adresi ve ekran görüntüsüyle bildirmelerini istendi. Facebook, Twitter, İnstagram vb. dahil tüm sosyal medya hesaplarını ekran görüntüsü ve profil linki ile birlikte şikayet ediyoruz. Einige Adressen die gemeldet werden sollen damit sie bestraft werden können*
Anmerkung: Ich werde ihre Daten hier nicht preisgeben, Vorsicht heißt die Mutter der Porzellankiste.


Und in D leben sehr viele türkisch stämmige Menschen. Zum Teil eingebürgert, zum Teil mit Arbeitserlaubnis.
Nicht alle dieser Mensche sind Erdoganfans. Ich erlebe es im Bekanntenkreis, wie sich seine Fans mit seinen Kritikern in die Wolle bekommen. Und eines kann man klar sagen. Seine Kritiker sind hier in Deutschland, in der EU angekommen. Sie schätzen ihre Grundrechte und gestehen diese ohne wenn und aber auch anderen zu. Unabhängig davon, ob sie Schiiten, Sunniten, Aleviten oder Christen sind. Gerade die Gläubigen der letzteren zwei Religionsrichtungen hätten gerade in der Türkei kein gutes Leben mehr zu erwarten.
Erdo-Wahn hat schon mit den Säuberungen begonnen und der Mob säubert mit. Der kleine Mann mit Schnauzbart hat alles im Griff. Und die erste Verhaftungswelle dürfte selbst dem Naivsten eines klar machen, dass, selbst wenn der Putschversuch nicht inszeniert war, Erdi und seine Helferlein darauf vorbereitet waren. Oder wie erklärt man sich, dass man keinen Tag nach dem Versuch Ego Wahn zu entmachten 3000 Richter entließ.
Die jungen Soldaten, die nun verhaftet wurden, wussten von Anfang an nicht was sie taten. Sie erhielten einen Marschbefehl, den Einsatzbefehl zu einer Übung. Das interessiert den entfesselten Mob nicht. Sie köpfen, zertrampeln, schlitzen Kehlen auf.
Demokraten?

Die Bilder und die Nachrichten aus der Türkei sind grausam. Aber es gibt sie. Die Menschen die diese Geschehnische feiern, nach der Todesstrafe brüllen, sie wollen Blut sehen. Der Gegner wird als Blutfeind gesehen.
Sie leben auch unter uns. Die Groupies des angehenden Diktators. Die genau dieses Feiern. Und sie haben teilweise einen deutschen Pass, fühlen sich mehr als Türke als als Deutsche. Sie feiern einen angehenden Diktator als Held.
Den Demonteur der Demokratie. Aber ganz legal und demokratisch entschieden.
Des Volkes Willen, jedenfalls den der Mehrheit. Oder vielleicht nur den Willen derer, die sich am besten, brutalsten durchsetzen können?
Was gilt das Recht der Schwächeren, wenn die Stärkeren Barbaren sind?

Ich bin wütend. Ich bin traurig. Anscheinend lernt die Menschheit nicht aus der Geschichte. Ich fange an zu glauben, dass dies eben der Grundgeist ist. Und Menschen, die an Freiheit und die Menschrechte aller Menschen glaubt in der Minderheit sind.
Ist dies ein Grund aufzugeben? Nein.

Heute vor 71 Jahren verlor ein Mensch aufgrund seines Widerstandes gegen einen Unrechtsstaat sein Leben.
Dietrich Bonhoeffer.
Widerstand ist nie zwecklos. Und sei es nur der Grund vor seinem eigenen Gewissen zu bestehen.

Der kleine Mann mit dem Schnauzbart sprach von Hitlerdeutschland als Vorbild.
Und die Welt schaut reagiert genauso wie vor 83 Jahren - sie sieht zu.
Aber was tun?
Ich weiß es nicht.
Wenn ich das Argument höre: "Er wurde demokratisch" gewählt packt mich schon wieder der heilige Zorn. Demokratisch? Nachdem er und seine Schergen alles taten, um eine Opposition klein zu halten, mundtot zu machen, mit allen Mitteln. Rechtswidriges Vorgehen wurde legalisiert indem man die Gesetze änderte. Und die Welt schaute zu und Europa lließ sich auf den dreckigen Flüchtlingsdeal ein und benutzte den zukünftigen Sultan. Das es dadurch zu seinen Helfer wurde - wenn juckte da, wenn man dadurch die Flüchtlinge unter Kontrolle bekam.

Wir erleben die Wiederholung der Geschichte. Den Aufbau einer Diktatur unter dem Deckmäntelchen der demokratischen Legitimation.

Man sollte kleine Männer mit Schnauzbart nicht unterschätzen. Sie haben meist ein überproportionales Ego. Das nimmt selten ein gutes Ende.




Sonntag, 17. Juli 2016

Hans und Hildegard, Rassismus und Integration, Demokratieverständnis und der ganze Rest 17.07.2016

So nennen gewisse Türken, Deutschtürken, Deutsche mit türkischen Migrationshintergrund uns Deutsche.
Und es ist nicht nett gemeint.
Ungefähr so wie wenn ein Brite uns Krauts nennt (Sauerkrautfresser).

Letzte Woche fragte ich einen jungen Mann nach seinen Migrationshintergrund. Sein Blick sagt mir schon, dass ihn das nervt, dass er immer wieder danach gefragt wird. Die Antwort war köstlich:
*Kassel!* Ich lachte laut auf und konterte: *Also doch Migrant*.
Ich war wieder in die Rassismusfalle getappt. Obwohl Rassismus das falsche Wort zu sein scheint. Man hat Denkschematas im Kopf, die sich nicht so leicht ausradieren lasse.
Ich weiß bis heute nicht ob er syrischer, türkischer, armenischer oder sonst einer Abstammung er hat, ich weiß nicht, ob er Christ, Jude, Moslem, Hindu oder sonst ein Gläubiger ist.
Es spielte auch keine Rolle und so ist es heute noch.
Mit seinem Statement und seiner angenehmen Art zu diskutieren trug er seinen Teil zu einem gelungenen Abend bei, Und er hatte mir die Selbsterkenntnis wie ein weiches Tuch um die Schulter gelegt. Auch ich habe Vorurteile und Schubladen im Kopf. Ich habe dies nie geleugnet, es ist aber noch einmal etwas anderes so vorgeführt zu werden.
Ich verneige mich mit Hochachtung.

Das ich den Einstieg über Türken, Deutschtürken und Deutsche mit türkischen Migrationshintergrund gewählt habe hat einen guten Grund. Einen erschreckenden Grund. Basierend auf den Putschversuch ( den inszenierten?) von Freitag auf Samstag in der Türkei, der niedergeschlagen wurde ( die Inszenierung wurde erfolgreich abgeschlossen?) ging es in den social medias gestern hoch her. Auf vielen Pinnwänden wurde viel geschrieben, gute Analysen, haarsträubendes und abstruses.
Über die Lage in der Türkei werde ich nichts schreiben - denn ich irre gerade von Bericht zu Bericht und komme irgendwie nicht zu einem schlüssigen Ergebnis.
Nein, um das geht es nur am Rande.

Es geht um das Verhalten mancher hier lebender Türken, Deutschtürken und Deutsche mit Migrationshintergrund. Warum schreibe ich das so?
Weil es DEN Türken nicht gibt, genauso wenig wie DEN Deutschen, DEN Italiener etc.
Gestern wurde ich mit Aussagen mancher dieser hier lebender Türken, Deutschtürken und Deutsche mit Migrationshintergrund die mich das Grausen lehrte.
Nicht, dass es nicht Aussagen von Deutschen und anderen geben würde, die mich auch das Grausen lehren würde....

Bedingungsloses Zujubeln. Erdogan sei der Held, die anderen müssten bestraft werden, Und das ist noch das harmloseste. Das macht mir keine Angst. Solche haben wir in Dresden und den *Ostgebieten* zuhauf und nicht nur dort.
Völkisch. Völkische Denkweise ist nicht nur in Deutschland beheimatet.
Und hier wird es grauselig. Jemand meinte dann auch Merkel mit Erdogan zu vergleichen.
Hier begann meine Schnappatmung, nicht weil ich eine glühende Verehrerin der Pastorentochter aus der *Zone* bin, sondern diese dreiste Gleichsetzung eines Erdo(wahn)gan, der unbequeme Oppositionspolitiker, Journalisten hinter Gitter bringt mit der Bundeskanzlerin?

Tschisas! Und ich solle mir die türkische Staatsbürgerschaft zulegen, wenn ich mit über die Geschehnisse in der Türkei mitreden wolle. Und er würde Erdogan gut finden, wir hätten alle keine Ahnung und sollten den Lügen aus der türkischen Presse nicht glauben. Aha. Also nationalistisch. Wäre es eine mündliche Diskussion gewesen hätte ich wahrscheinlich einen Schreikrampf bekommen und danach Krampfadern auf den Stimmbändern gehabt.
Meine Antwort fiel dementsprechend aus. Unter anderem, dass er weder mir noch anderen den Mund verbieten könne, auch wenn ihm das nicht passe. Gleichheit, Freiheit gelte hier nicht nur für eine ethnische Gruppe, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit - und wenn er hier (Deutschland) leben würde und/oder sogar den deutschen Pass habe solle er sich mal dran halten und nicht einen auf dicke Hose machen.
Kurz danach war ich geblockt.
Weichei.

Viele denken so. Gestern rasten Autos mit türkischen Fahnen geschmückt hupend durch die Stadt, nachdem die Nachricht kam, der Putsch sei niedergeschlagen worden.
Mir tun die Menschen in der Türkei leid, vor allem die, die nicht mit der Regierungspartei konform gehen. Erdogan und Co, die jeden Widerstand, jeden Widerspruch niederknüppel lassen, bauen ihre Macht aus.

Gestern erwischte ich mich zum ersten mal bei folgenden Gedanken:
"Dann haut ab, Geht zu eurem Erdogan. Packt eure Koffer und kehrt heim ins Reich."
Ein Teil von mir ist heute noch über diesen Gedanken entsetzt. Der andere fürchtet sich vor diesen Erdogananhängern in Deutschland. Und die Frage wie wir mit ihnen umgehen sollen geht mir nicht mehr aus dem Kopf

Sonntag, 10. Juli 2016

Der Stier, der Mann und der Tod

Eine Arena in Spanien.
Ein wie eine Puppe ausstaffierte Mann tänzelt um einen tonnenschweren Stier. Die Muskeln des Tieres zeichnen sich detailliert unter dem glänzenden Fell ab, seine Augen rollen in Panik und scheinen fast aus den Höhlen zu treten, Schaumfetzen um sein Maul. Das Tier ist wütend. Verängstigt. Verzweifelt. Es gibt keinen Ausweg. Keine Chance zur Flucht. Ist auch nicht seine Art. Er ist ein schönes Tier.
In seinem Körper stecken Spieße welche mit bunten Fähnchen geschmückt sind. Der Schmerz durchzuckt das Tier, warmes Blut benetzt seine Flanken.
Der Mann tänzelt und posiert für das tobenden Publikum. Die Masse tobt. Sie will den Stier tot sehen. Der Lärm irritiert den Stier noch mehr, seine Verzweiflung und seine Wut steigern sich ins Unermessliche.
Gierige Augen saugen die Szene in sich auf, es herrscht Volkfeststimmung.
Der stolzierende Mann, der sich wie ein Pfau spreizt, ist einen Moment unachtsam. Der Stier nicht. Er rammt eines seiner spitzen Hörner in den Mann, in den Oberkörper, mitten ins Herz. Er wirbelt den Körper des Mann durch die Luft als sei dieser eine Puppe.
Ein kollektiver Entsetzensschrei von den Arenarängen.
Berittene Männer, genauso ausstaffiert wie der Stierkämpfer, lenken den Stier ab, der am Boden liegende Mann wird von Helfern auf eine Trage gepackt und im Laufschritt aus der Arena getragen.

Schnitt.
Beide sind tot. Der Mann und der Stier. Letztere wurde zum Metzger gefahren. Er hatte nie eine Chance.

Schnitt.
Social Media.
Ein anderer Kampf. Eine andere Arena. Das World Wide Web. Social (asoziales?) Media.
Ein Teil des Publikums - vor den Bildschirmen - feiert den Tod des Mannes. Feiert den Stier. Dem es nichts mehr nützt. Er endet als Steak oder Hundefutter, ich weiß es nicht.
Aber sie feiern ein Tier, dass seinen Quäler getötet hat.
Der andere Teil des Publikum versteht die Welt nicht mehr. Wie kann man nur den Tod eines Menschen feiern?
Sie mokieren sch über die Wut und teilweise blinden Hass. Und wählen dabei Worte die denen der Stierfans in nichts nachstehen.
Es gibt noch einen dritten Teil. Der beobachtet, versucht sachlich die Situation zu analysieren.
Ich erwische mich dabei, dass ich im ersten Moment, als ich die Nachricht las, dachte:
Guter Junge. Damit meine ich den Stier. Dann schäme ich mich. Aber der Gedanke ist gedacht. Ich bin auf der Seite des Stieres. Und bleibe da auch. Ich bin gegen Tierkämpfe. Aber ich mag mich nicht an dem Tod eines Menschen erfreuen. Niemals.

Schnitt.
Mittelmeer.
Ein Schlauchboot. Voll mit verängstigten, verzweifelten Menschen. Kinder, Frauen Männer. Schwer unterdrückte Panik. Sie haben keine Chance.

Schnitt.
Der Innenminister der BRD verkündet rückgängige Flüchtlingszahlen. Und strahlt in die Kamera. Die Bürger sollen sich sicher sein, dass sie sicher sind.
Die Menschen verstehen und schweigen. Nur vereinzelte Stimmen des Protests wegen der geschlossenen Grenzen Europas und der Schuld.

Schnitt.
Mittelmeer.
Kein Schlauchboot.

Der Stier, der Mann und der Tod.


Samstag, 9. Juli 2016

Wem gehört die Stadt?

Komische Frage? Wirklich?
In Stuttgart entbrannte deswegen mal wieder ein NetzStreit. Und dass wegen 11 (12?) okkupierten Parkplätze - mit Genehmigung - im Rahmen eines Projekts das den Namen "Parklets* trägt.


Kurze Erklärung dazu:
Im Rahmen des *Reallabors* werden für den Zeitraum für drei Monate 11 (12?) Parkplätze in Raum für etwas anderes verwandelt. Um zu sehen was passiert.
Städte sind Raum zum Wohnen/Arbeiten/gesellschaftlichen Zusammentreffen/Handel.
Städte bestehen aus Wegen, Straßen, Häuser, Parks, Plätzen - Parkplätzen.
Raum in Städten ist begrenzt.
Ich empfehlehierzu dazu folgenden Film.


Wenn ihr auf den Link klickt könnt ihr über You Tube rein schnuppern. Es geht um Städteplanung, menschliches Zusammenleben - mehr möchte ich vorab nicht verraten.
Nur eines - er ist spannend.

In Stuttgart passierte folgendes - kaum waren die ersten Parklets aufgebaut:
Im Netz schwappte sofort wieder die Empörung über den Tellerrand, allerdings nur die einer kleiner Gruppe.
Die der Autobesitzer. Nicht die der Autofahrer. Und auch nicht die empörten sich alle:
Ein kleinkolletives Aufheulen wegen der Parkplatz - Not.
Ich musste dann doch grinsen. Wegen ELF Parkplätze die DREI Monate nicht zur Verfügung stehen.
Falsch.
Sie stehen zur Verfügung, aber eben nicht für Autos.
Aber um das geht es gar nicht. Zu kurz gedacht.
Liebe Autofahrer: Selbst wenn wir noch  1000 Parkplätze zur Verfügung hätten würden sie nicht reichen. 
Liebe Autofahrer: Wie wäre es sich einen Stellplatz zu mieten, in bestehende Parkhäuser zu fahren. 
Liebe Autofahrer - ich könnte stundenlang weiter schreiben.
Und ich höre den Protestschrei:
*Ich habe das Anrecht auf einen Parkplatz!*
Nein, lieber Autofahrer, hast du nicht. Genauso wenig wie ich das Anrecht auf einen Sitzplatz in der U-Bahn habe. Denn ich habe mit dem Fahrschein nur den *Transport* gekauft.
Steuern sind aber kein Entgelt für irgendetwas.
Liebe Autofahrer, nein, durch die Kfz-, Mineralölsteuer habt ihr keine Rechte auf einen Parkplatz erkauftgekauft. Mit Steuern kauft man sich keine *Rechte*.
Nachzulesen in der Abgabenordnung 


Jetzt stehen an 11 verschiedenen Stellen in Stuttgart eben diese ominöse Parklets. Manche werden schon rege genutzt, andere sind noch etwas vereinsamt. Das liegt an der unterschiedlichen Bauweise, an den unterschiedlichen Standort.

Es gibt auch Bedenken und Kritik mancher Anwohner. Und es ist wichtig sich damit auseinanderzusetzen. Sie nicht zu ignorieren. Es soll sich ein Miteinander, nicht ein Gegeneinander entwickeln.

Jemand schrieb bei Facebook:

"Was solle den dieser Mist bezwecken. Er sei nicht so sehr in Sachen Kunst bewandert, aber das was er gesehen hätte würde er auf den Sperrmüll werfen. Frei nach dem Motto *Ist das Kunst oder kann das weg?*"
Am liebsten würde ich schreiben: Keine Ahnung, aber ganz viel Meinung. Ups, jetzt habe ich es doch geschrieben. Hier, aber auch auf FB. Und ich versuchte zu erklären, aber das interessierte nicht. Ich solle damit leben, dass man eben polarisiere..... 
Grundsätzlich gilt: Die Meinung sei dem guten Mann unbenommen, nur muss er sich dann entsprechende Gegenkommentare gefallen lassen.

Es geht ja auch nicht um Kunst!
Kunst ist Geschmacksache, die Gestaltung der Parklets auch. Manche von ihnen entlocken mir ein Schmunzeln, andere gefallen mir wirklich gut. Über Geschmack kann man streiten. Muss es aber nicht.
Und bei den Parklets geht es eben nicht um Kunst.

Zusammenfassung bis jetzt.
Es geht nicht darum den Autofahrern eins auszuwischen, auch wenn in ganze 12 (!!!!!) Stellplätze wegfallen und es zu einer dramatischen Verknappung des Parkraum stattfindet. Vorsicht: Bissige Ironie. Nein, es geht nicht darum - Nichtautofahrer gegen Autofahrer. Viele Parletsbefürworter SIND Autofahrer.
Bei den Parklets geht es um das einfache Thema:

Wem gehört die Stadt?

Diese einfache Frage ist einfach zu beantworten. Jeder bewertet es anders, jeder sieht es anders. Sie ist eine gute Grundlage/Grundfrage für die Weiterentwicklung unserer Städte.

Linksammlung zum weiter informieren: