Mittwoch, 26. Oktober 2016

Europa und die bösen Wölfe

Eigentlich kam Zeus in der Gestalt eines Stieres zur schönen Europa.
Aber das ist ein Märchen. Und schon lange her.
Jetzt steht Kanada vor der Tür.
Elch? Bär? Wolf?
Und Kanada - bzw. die kanadische Regierung wirbt nicht. Sie fordert. Sie wütet. Schmollt.
Ceta, das Freihandelsabkommen,
Europa ziert sich.
Nicht Brüssel. Millionen Bürger. Und ein einzelnes, nationales Parlament.
Ich bin kein Ceta Fan und trotzdem feiere ich nicht Verzögerung. Denn ein Freihandelsabkommen ist grundsätzlich nichts Schlechtes.
Aber:
Zu viel läuft schief.
Warum ist die europäische Gemeinschaft nicht fähig auf die Sorgen und Befürchtungen seiner Bürger einzugehen?
Daraufhin seine Forderungen aufzubauen?
Es ist bei weitem nicht nur die - zugebebenermaßen etwas schrullige Musiklehrerin - sondern auch Stimmen aus der Wirtschaft ( Ökonomen und nicht Kneipisten) warnen. Verbrauchersschützer gehen auf die Barrikaden.
Es geht nicht darum den Deal an sich zu verhindern, es geht darum wie das Ganze über die Bühne geht/gehen soll.
Momentan kommt es mir so als würde Europa wie die berühmte Sau durch das Dorf getrieben.

---------------------

In düsteren Zukunftsvisionen wird die Welt von Konzernen regiert. Ceta räumt Konzernen sehr viel Macht ein. Während Regierungen für das Wohl der Bürger sorgen (sollen), so ist das Ziel von Konzernen der Gewinn.
Alles läuft auf den maximalen Kapitalismus hinaus.
Arbeiter, Verbraucherschutz, Naturschutz - haben die da noch wirklich Platz?
Wenn man sich Großkonzerne wie Nestlé ansieht, dann können einem schon Zweifel kommen: Man sehe sich nur deren Geschäft mit Trinkwasser an. Und wenn ein Nestlé Manager sagt, dass der Zugang zu sauberen Wasser KEIN Menschenrecht sei, dann kann man mehr als nur Zweifel haben wohin die Reise gehen soll - wenn es nach den Konzernen geht.

----------------------

Umweltschutz: Wer denkt in Kanada sei alles Gold sehe sich nur mal die Erdölgewinnung durch den Ölsand an.....

----------------------

Die Auseinandersetzung der Europäer mit Ceta entscheidet mehr als nur den Abschluss eines Abkommens - es entscheidet darüber wohin die EU gehen wird,
In Bezug auf das Miteinander und die Demokratie.

----------------------

In Griechenland wurde die Wasserversorgung privatisiert. Der Ausverkauf läuft schon länger. Und es ist kein Ende abzusehen.

-------------------------

In Afrika wurde den Einheimischen der Zugang zu Quellwasser abgeschnitten. Ihr Wasser wird jetzt in Trinkflaschen abgefüllt und teuer verkauft.
Gerecht?
Mexiko hat ein Freihandelsabkommen mit der USA - die anfängliche Begeisterung der Mexikaner hat sich gelegt, die Hoffnungen haben sich zerschlagen.
Teile Afrikas haben ein Feihandelsabkommen mit Europa. Ob die Afrikaner begeistert sind?
http://www.swr.de/report/ruecksichtsloses-abkommen-wie-die-eu-ihre-wirtschaftlichen-interessen-gegenueber-afrika-durchsetzt/-/id=233454/did=14245872/nid=233454/qzsp1f/

Es hat den Anschein, dass die Freihandelsabkommen immer auf der Seite des Stärkeren - oder der Großkonzerne - Begeisterungsstürme veranlasst, aber der Schwächere Partner -bzw. die Kleinen den Kürzeren ziehen.

---------------------

Soziale Marktwirtschaft? Das Wohl aller?
Oder auch hier:

Alle sind gleich. Manche sind gleicher?

Links:
http://www.rp-online.de/wirtschaft/pro-und-contra-ceta-so-argumentieren-die-beiden-lager-aid-1.6280239
http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/february/tradoc_153081.pdf
http://www.attac.de/kampagnen/freihandelsfalle-ttip/hintergrund/ceta/
https://aktion.bund.net/ceta-werden-wir-verhindern?gclid=Cj0KEQjwqMHABRDVl6_hqKGDyNIBEiQAN-O9hOkV9Lk1Lx3PGJJOl2NFbllsmABOZ-_IaWB9Eq_JZaQaAsL18P8HAQ


Sonntag, 2. Oktober 2016

Tag der deutschen Einheit

Als es geschah lebte ich in einem Wohnheim, 12 qm Zimmer, zu acht je eine Dusche, eine Toilette, eine Küche, ein 5 l Kühlfach und ein Fach im Küchenschrank. Die letzteren beiden abschließbar.
Was allerdings selten nötig war.
Ich war Anfang/Mitte zwanzig, hatte wenig Geld, aber eine wild bewegte Zeit.
Wir - ein paar Mädels aus dem Wohnheim und ich - saßen auf dem Flachdach, an einem Spätsommertag, genossen den warmen Tag und diskutierten was da auf uns zu kam.
Die Wellen schlugen hoch damals. Wir bekamen mit, wie viele DDR Bürger in Ungarn in die Vertretung der BRD Zuflucht suchten, wie die Montagdemos immer mehr Zulauf bekamen.
Wir beobachteten das alles nicht nur freudig. Nun ja, ein Teil von meinem Bekanntenkreis schon. Ich eher weniger.
Was mich nachdenklich machte war nicht der Freiheitswunsch *der da drüben*. Was mir so aufstieß war: das sollte etwas so schnell zusammengeführt werden was 40 Jahre unter ganz verschiedenen Bedingungen gelebt hatte.
Ganze Generationen hatten in verschiedenen Systeme gelebt und überlebt.

Meine Idee war - *denen* eine eigene Nation zu geben, sie zu unterstützen, eine Demokratie wachsen zu lassen.
Was passierte war eine *Übernahme*, der ehemaligen DDR wurde das Gewand der BRD übergestülpt, die letzten, gut funktionierenden Firmen verschachert, Milliarden wurden in die *neuen Bundesländer* gepumpt und manche - damals noch D-Mark - versickerte irgendwo.
Ehemalige SED Mitglieder suchten ihr Heil in den bundesdeutschen Altparteien, vor allem die CDU erwies sich als kleiner, alles aufsaugender Schwamm.
Wir machten unsere persönliche Erfahrungen und manchmal war ich richtiggehend geschockt über die Denkweise und das Anspruchsdenken der *Neuen*.
Während ich für meine Ausbildung gezahlt hatte, nebenher jobbte, eine 50 Stundenwoche (Studium und Arbeiten, OHNE lernen) kannte, ständig pleite war, aber meinen Spaß am Leben hatte so lernte ich bei vielen (aber nicht bei allen) vor allem eines kennen: Nehmerqualitäten.
Es bildeten sich - nicht nur bei mir - Vorbehalten.
Und doch: in der Zwischenzeit kenne ich eben auch viele Gegenbeispiele - tolle Menschen, in allen Bereichen des Lebens und ich begriff:

Jeder Mensch ist einzeln zu betrachten.

Das gilt ja nicht nur für uns *Deutsche*, sondern für jeden Menschen auf der Welt.

Aus der heutigen Zeit betrachtet erklärt sich vieles was nach der *Wiedervereinigung* geschah. Die ersten Pogrome (unter anderem in Hoyerswerda) und die Republik schrak hoch. Heute ist es fast an der Tagesordnung.
Als Westdeutsche war ich damals entsetzt und schüttle auch heute noch den Kopf, auch wenn es in der Zwischenzeit ein bundesweites Problem ist.
Was damals noch erschreckte ist heute Alltag.
Die Nation rückte nach rechts.
Alltagsrassismus und Ausländerfeindlichkeit sind in der *Mitte* der Gesellschaft angekommen. Vielleicht waren sie nie verschwunden, aber durch den Geschichts- und den Gemeinschaftskundunterricht im Westen der Republik VOR dem Mauerfall waren bestimmte Regeln in den Köpfen der Menschen präsent. Und es war gut so.
Anders in der DDR - Vergangenheitsbewältigung war hier anders - nach der Übernahme durch die Russen und dem Sozialismus war der Nationalsozialismus *besiegt*.
Geschichtsbewältigung, Aufarbeitung der Geschehnisse? Fehlanzeige.

Es geht nicht um Schuldgefühle für Vergangenes. Wir sind nicht für die Vergangenheit und das Tun unserer Vorfahren verantwortlich, aber wir sind für das verantwortlich was jetzt geschieht.
Ich schäme mich nicht deutsch zu sein.
Ich schäme mich fremd für die Deutschen, die empathielos *Ausländer raus* schreien, die sich in Selbstmitleid und Selbstgerechtigkeit wälzen, sich im Recht fühlen.
In der Zwischenzeit ist es ein Gesamtdeutsches Problem.
*Man wird ja wohl noch sagen dürfen.....,* oder *Ich bin ja kein Nazi, aber...* sind Formulierungen die mir einen Brechreiz bescheren.
Die AfD duldet Menschen wie Höcke (jemand der sich gerne einer Sprache bedient, die einen an den Propagandaminister aus der jüngeren Geschichte denken lässt), Petry (die den Begriff *völkisch* positiv besetzen möchte), Storch ( Stichwort: mit Waffengewalt die deutschen Grenzen vor Flüchtlingen schützen - auch auf Frauen schießen), in ihren Reihen, aber auch Holocaustleugner, und beschwert sich als rechtsradikal bezeichnet zu werden.
Und ein Viertel der Wähler findet das auch noch gut. Und bei weitem nicht nur *Ossis*.

Es gibt Probleme. Durch die Situation in Syrien. Wenn sich Millionen Menschen auf die Flucht begeben und eine Zuflucht suchen ist es normal, dass nicht alles reibungslos statt findet. Es sind ja nicht nur Syrer, die vor dem Krieg fliehen. Es kommen Menschen aus Afrika, die vor Hunger und Not fliehen, Afghanen fliehen vor der ungewissen Zukunft.
Wir sitzen auf unserer Insel der Glückseligkeit. Und manche von uns würden gerne die Schiffbrüchigen einfach absaufen lassen.

Wirtschaftsflüchtlinge sind nicht erwünscht. Am 09.11.1989 strömten tausende Wirtschaftsflüchtlinge aus der DDR in die BRD.
1990 kam es zur Wiedervereinigung.

03.10.2016
Heute ist der Nationalfeiertag der Deutschen, 
der Tag der deutschen Einheit.
Ein Tag der Freude?
Jedenfalls ein Tag der zum Nachdenken anregt.